Wieso eigentlich ist Julia Klöckner nicht neutral?
Von Regenbogenflaggen, Dolores Umbridge und der vermeintlichen Überparteilichkeit
Als Bundestagspräsidentin steht Julia Klöckner protokollarisch an zweiter Stelle in der Bundesrepublik – direkt hinter dem Bundespräsidenten. Ihr Amt ist mehr als ein Titel: Es verlangt Zurückhaltung, Überparteilichkeit, Respekt vor dem Pluralismus. Doch genau daran gibt es inzwischen Zweifel. Berechtigte.
Wie es begann
Vor einigen Wochen teilte Klöckner auf ihrem Instagram-Kanal ein Video vom Account #merzrevolution – einem Format, das sich rechtskonservativ inszeniert, populistische Narrative verbreitet und migrationskritische Inhalte gezielt emotionalisiert. Der Clip zeigte Friedrich Merz im Interview mit ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. Inhaltlich ging es um den Familiennachzug Geflüchteter – ein kontroverses Thema.
Doch statt sachlicher Einordnung dominieren im Video Suggestionen und Dramatisierung.
Dass Julia Klöckner diesen Beitrag teilte, wäre für eine CDU-Politikerin schon ein politisches Signal. Für eine Bundestagspräsidentin aber ist es ein Problem.
Das Amt verpflichtet – immer
Ihr Sprecher sagte später, es handle sich um einen privaten Kanal, die verfassungsmäßige Überparteilichkeit gelte nur bei aktiver Amtsausübung. Doch diese Trennung funktioniert in der Realität nicht.
Denn wann ist eine Bundestagspräsidentin nicht im Amt?
Klöckners Social-Media-Präsenz ist professionell kuratiert. Sie berichtet über Plenarsitzungen, über Besuchergruppen, über Parlamentsarbeit. Wer dort Inhalte teilt, signalisiert auch: Dafür stehe ich, dafür nutze ich meine Reichweite.
Das Teilen rechtspopulistisch aufgeladener Inhalte ist in diesem Kontext keine Petitesse – es ist eine politische Positionierung. Und eine gefährliche Verschiebung der Grenzen dessen, was als „vertretbar“ gilt.
Symbolpolitik statt politischer Souveränität
Klöckner fällt seit Amtsantritt nicht durch eine Stärkung parlamentarischer Debatten auf – sondern durch eine teils kleinliche, teils selektive Auslegung von „Neutralität“.
Ein Beispiel: Die Vorsitzende der Grünen Jugend sollte ihren Hausausweis verlieren, weil sie einen Pullover mit der Aufschrift ACAB trug.
Linken-Politiker:innen wurde der Zugang zum Plenum verwehrt – zuletzt wegen eines „Palestine“-Shirts.
Parallel dazu wird auf Unionsebene darüber diskutiert, ob das Hissen der Regenbogenflagge zu „politisch“ sei.
Die Frage nach der Haltung
In ihrer Antrittsrede sprach Julia Klöckner von der Verantwortung, unterschiedliche Meinungen auszuhalten – als Grundlage demokratischer Debatten.
Ein richtiger Gedanke. Nur wird sie ihm selbst nicht gerecht.
Denn wer das zweithöchste Staatsamt bekleidet, sollte nicht nur formal neutral agieren, sondern auch inhaltlich eine klare demokratische Haltung vertreten.
Wer dagegen mit rechtspopulistischen Inhalten spielt – oder sie, wie in diesem Fall, aktiv teilt – beschädigt das Amt und untergräbt seine integrative Funktion.
🎙️ In meinem Podcast „Die Informantin“ spreche ich regelmäßig über genau solche Entwicklungen – kritisch, pointiert, journalistisch eingeordnet.